IntonaRadial032011
ELEKTROmusik by michael hoeldke ( Click for EMail )

Schönklang und Bargeld - Intonarumori im Radialsystem

Ein unterhaltsamer Nachmittag, dessen freundliche Atmosphäre überraschen musste: Luciano Chesso leitete das Intonarumoriensemble, das "Orchester der futuristischen Geräuscherzeuger". Im Rahmen der Berliner Maerzmusik 2011 war am Nachmittag des 20.März die 16-köpfige Trentiner Spielerformation im Concerto-Grosso-Panorama angetreten, so ergab sich der Eindruck eines "handbetriebenen Lautsprecherorchesters": Man blickte in mehr als ein Dutzend trichterförmige Öffnungen, denen in jeweiliger Stimmlage Knistern, Jaulen, Rumpeln oder Wimmern entwich. 13 Stücke wurden zum Besten gegeben, Beginn und Abschluss bildeten historische Kompositionen (Buzzi und Russolo). Letzteres war auch dringend nötig, um wenigstens einen Hauch geschichtlicher Correctness zu verbreiten.

Ansonsten wollte sich da nichts dräuendes ausbreiten, keine düstere Atmosphäre einstellen, angesichts der aktuellen Lage in Japan hätte es auch jenseits der Geschmacksgrenze gelegen, die futurismustypische Technikgläubigkeit allzu deutlich zu inszenieren.

Das Programm bot überraschenden Schönklang mit großer Weite, der selbst im Forte mittlere Schallpegel nie überstieg. Keines der dargebotenen zeitgenössischen Stücke war vor 2009 entstanden, trotzdem hatte nicht eines davon einen wirklich "modernen" Habitus. In Teilen konnte man gar von melodiösen Kompositionen sprechen, doch zeigte gerade das eine gewisse Variabilität der Russolo'schen Rumorquader.

Man pflegte der Abwechslung durch den Auftritt klangkistenfremder Solisten:
Werner Durand sorgte auf selbstentwickelten Musikinstrumenten für Aktion auf der Bühne, während Amelia Cuni indische Anklänge durch futuristisch anmutende Flüstertüten verfremdete. Margareth Kammerer sang den Blues, der als klingende Insel im Meer der Intonarumori für eine eigenartige meditative Spannung sorgte, Nicholas Isherwoods Bass weist inzwischen einen Vibratoambitus auf, von dem man sich fragt, ob er denn immer so gewollt ist.

Keinen Zweifel ließ Blixa Bargeld* daran, wen er für den wahren Star des Abends hielt: Im zweiten Satz seiner Komposition "The Mantovani Machine" trug er, deklamiert aus leicht provokativ knittrigem Manuskript sein von Marinetti inspiriertes Kochrezept "gamberetti eroica sul campo di battaglia" vor.

Bargeld trat gleichsam als Sinnbild der gegenwärtigen Futurismusrezeption an: Der Provokateur von einst trug feinstes Tuch, die künstlerische Provokation von einst ist Bestandteil genau jenes Konzert- und Musikbetriebs geworden, der sie einst mit Zerstörung gedroht hatte. Folgerichtig fand die eigentlich fällige medienträchtige Massenschlägerei nicht statt.

*Bargeld und sein Rezept auf Youtube:
http://www.youtube.com/watch?v=FVzj0pIEq4M

ELEKTROmusik Folge 5 Musik des Futurismus

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